1945: Wiedergründung der SPD

Zwölf Jahre nationalsozialistischer Terror bedeuteten auch für die Berliner Sozialdemokrat/innen Verbot, Verfolgung, Illegalität, Widerstand und Exil. Ein organisatorischer Zusammenhalt konnte nur in kleinsten Kreisen und unter größter Gefahr aufrechterhalten werden. Sofort nach Kriegsende 1945 wurden Initiativen zum Wiederaufbau der Parteiorganisation ergriffen. Eine einheitliche Arbeiterpartei sollte es nun wieder geben – das war die Lehre aus der Spaltung der Arbeiterbewegung im Ersten Weltkrieg und dem Unvermögen, dem aufstrebenden Nationalsozialismus einen vereinten Widerstand entgegenzusetzen.
Eine Gruppe überlebender Sozialdemokrat/innen sammelte sich in Berlin um Otto Grotewohl und versuchte, mit den Kommunist/innen der aus Moskau zurückgekehrten „Gruppe Ulbricht“ über eine gemeinsame Arbeiterpartei zu beraten. Diese lehnten zu diesem Zeitpunkt eine Einheitspartei ab.
Der Befehl Nr. 2 des Chefs der Sowjetischen Militäradministration (SMAD), Marschall Shukow, hatte am 10. Juni 1945 den legalen Rahmen für die Bildung antifaschistischer Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in Berlin geschaffen. Daraufhin verkündete die „Gruppe Ulbricht“ am 11. Juni die Wiedergründung der KPD. Die Gruppe um Grotewohl verstand sich nun  als „Zentralausschuss der SPD“ und formulierte am 15. Juni einen „Gründungsaufruf der SPD“. Bereits am 17. Juni gab eine Versammlung von rund 1 000 Sozialdemokrat/innen im „Deutschen Hof“ in der Luckauer Straße dem Zentralausschuss mit Grotewohl als erstem Vorsitzenden seine Legitimation. Die wiedergegründete SPD verstand sich zu dem Zeitpunkt noch als eine „Reichspartei“ in allen vier Besatzungszonen. Damit bestand schon früh eine Art Konkurrenzsituation zu Kurt Schumacher, der von Hannover aus den Wiederaufbau der SPD in den drei Westzonen betrieb, was sich besonders in der Frage um eine Vereinigung mit der KPD äußern sollte.
Der Zentralausschuss übernahm die Führung der Berliner Sozialdemokrat/innen sowie der Verbände in der SBZ. Die Mehrheit der Berliner SPD lehnte jedoch seinen Vereinigungskurs zum Ende des Jahres 1945 zunehmend. Im Dezember zählte die Partei in Berlin fast 60 000 Mitglieder. Das wehrte die Hoffnungen der KPD-Führung ab, sich schnell als stärkste Partei in Berlin und der SBZ zu etablieren. Aus Moskau wuchs der Druck, als die Kommunist/innen in Ungarn und in Österreich Wahlniederlagen erlitten. Die KPD drängte nunmehr auf einen Zusammenschluss mit der SPD zu einer Einheitspartei. Druck und Zwang sollten helfen, dieses Ziel zu erreichen; nur in der SBZ gelang eine solche Zwangsvereinigung.

In einer Konferenz von je 30 sozialdemokratischen und kommunistischen Delegierten am 20. und 21. Dezember 1945 kritisierten die Vertreter/innen der SPD zwar noch die undemokratischen Tendenzen der KPD. Im Zentralausschuss hatte die Vereinigung inzwischen aber eine Mehrheit gefunden, nicht zuletzt in der illusionären Hoffnung, in der neuen Partei stärker als die Kommunisten zu sein. Die Gegner/innen sprachen sich am 31. März 1946 in der SPD-Urabstimmung, die freilich nur in den drei Westsektoren Berlins stattfinden konnte, mit deutlicher Mehrheit gegen den Zusammenschluss zur SED aus. Dieser wurde, das Votum übergehend, auf dem Parteitag am 21. und 22. April 1946 im Admiralspalast vollzogen.
Der alliierte Status der Stadt erlaubte dennoch die Tätigkeit der SPD in allen vier Sektoren Berlins. Sie wurde mit dem Wahlergebnis vom 20. Oktober 1946 als stärkste Partei deutlich bestätigt, was erst im Jahre 1948 mit der beginnenden Spaltung der Stadt für den Ostteil ein Ende fand.

 

Literaturtipps:

 

Wo stehen wir? Wohin gehen wir? Die Wiedergründung der SPD in Berlin im Jahre 1945, hg. vom SPD Landesverband Berlin, 2005.

Die Frage der Wiedervereinigung
1989: Der rot-grüne Senat / "Das Feminat"
Teilung und Alltag
Migrationspolitik in Berlin
1968: Höhepunkt der Flügelkämpfe
Mauerbau
1958: Der Wechsel an der Spitze von Franz Neumann zu Willy Brandt
Die Falken
1945-1961: Die SPD in Ostberlin
1946: "Zwangsvereinigung" und Urabstimmung
1945: Wiedergründung der SPD